bremen

die stadt bremen kenne ich seit einiger zeit.

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gute bekannte meiner mutter wohnen da, ein zweig unserer familie befindet sich dort, ein bekannter vom basketball in dresden kam aus bremen, die ‚bremer stadtmusikanten‘ sind jedem kind bekannt und ich entwarf 2007 für die sogenannte ‚weserspitze‚ ein kulturhaus als diplomarbeit meines studiums.

aus flüchtigen besuchen noch in den neunziger jahren und anfang des 21. jahrhunderts in familie, wurden seit dem diplom und der selbständigen arbeit intensivere auseinandersetzungen. zu den bremer stadtmusikanten fand ich auf dem letzen besuch mitte januar eine interessante hintergrundinformation, besser eine neuinterpretation dieses kulturellen erbes der stadt:

„Natürlich nicht zu vergessen Maurizio Cattelans herausragende und gleichermaßen skurrile Fassung der Bremer Stadtmusikanten, Love Saves Life, 1995 und Love Lasts Forever,1999, welche hier als lebensecht ausgestopfte Tierpräparate neben ihrer komplett skelettierten Version hochgestapelt vor uns stehen. Hintersinniger Kommentar, augenzwinkernder Bezug auch auf die Hansestadt Bremen, in der die Weserburg und die Kunsthalle zu Hause sind.“ – Kunstmuseum ‚Weserburg‚ zur aktuellen Ausstellung „Noble Gäste–Meisterwerke der Kunsthalle Bremen“ (die soeben umgebaut & erweitert wird)

dass die weserburg eine neuinterpreation der ehemaligen ‚kaffeeinsel‘ inmitten der weser ist mag ertaunen. Bremen ging mit Jacobs, Eduscho, Tschibo, Darboven u.v.a. in die wirtschaftsgeschichte auch als ‚kaffeestadt‘ ein – stellvertretend hier die Rösterei August Münchhausen. ebenso aufschlussreich könnte die tatsache sein, dass diese eigentliche halbinsel, festgehalten von zwei brücken zwischen alt- und neustadt, mit ihrem namen ‚teerhof‚ noch immer auf die viel frühere nutzung als ort zum teeren der hölzernen schiffe diente.

bremen ist viel mehr!

der fussballverein ‚werder bremen‘ verdankt seinen namen dem hinterland besagter halbinsel mit eben dem namen ‚werder‚. das stadion liegt direkt an der weser. ich habe mir zu den leichtathletikmeisterschaften 1996 dort mit anderen talenten die kehle heiser gebrüllt um den zuschauern eine laola aus der hüfte zu locken.

mich hat schon der kontext des entwurfs der weserspitze gefesselt: die ‚überseestadt‚ – ein stadtentwicklungs- und konversionsprojekt, das inhaltliche ähnlichkeiten z.b. mit der hamburger ‚hafencity‚ hat. seinen namen hat das areal von dem gleichnamigen hafenbecken, das man zu zwecken der folgenutzung seit den neunziger jahren zugeschüttet hat. interessanter ist jedoch das beobachten und antizipierbare gestalten kultureller prozesse in einem solchen areal. die weitläufigkeit der hafenanlagen, ihre ästhetisch-sinnliche imposanz, die abwechselnden gerüche!, dennoch der stets präsente masstab mensch, ohne den auch heute noch hafen und handel undenkbar wären, nachzuforschen im ‚hafenmuseum‚, das überdies mit einer hervorragenden kleinen bücherei über hafen, meer, plattdeutsch und handel aufwartet. in einer wunderbaren publikation von stefan bargstedt z.b. kann der geneigte sprachliebhaber alles über ‚plattsnaker‘ und die herkunft dieser norddeutschen sprache (ja!) erfahren: platt! wo und wie plattdeutsch ist. schuenemann c.e.
oktober 2008, ISBN: 3796119077. das bemerkenswerte daran: die abschlussarbeit des autors im fach design entstand in bremen und ist in ihrer art der aufbereitung von informationen auf jeder seite eine freude. ein A–Z von hafenarbeiterbegriffen, die sprachlich selten weit vom platt weg sind, führt durch die ausstellung und zeigt eindrücklich die bestehende signifikanz von sprache als identitäts- wie auch funktionsmedium.

mit dem handel ist bremen ‚gross‘ geworden. daraus schöpft die stadt auch heute noch ihre eigenartige – hamburg sicher ähnliche – gediegenheit. die mag nicht jeder. wer die welt kennt (und mit ihr handelt), muss sich nicht weit aus dem fenster lehnen. da dies seine schattenseiten hat und hatte, brachte mein gastgeber es auf den kulturellen punkt:

„bremen ging es immer dann gut, wenn es europa schlecht ging“

später mehr dazu. das stimmt nicht ganz: es ging bremen auch gut als es den amerikanern gut ging. nämlich nach dem 2.wk. so wie heute die eu-plaketten an jeder schule und jedem bauschild prangen, waren es damals die marshallplan-schilder „zur stärkung der freien welt“. die kommune hat nicht mehr und nicht weniger geld als andere – ist also auch heute mit der überseestadt auf die eu angewiesen, doch die stadt hat wohlhabende kaufleute, reeder usw. stets beheimatet. die haben der stadt als mäzene und stifter kulturelle und wirtschaftliche impulse gegeben. wo gibt es so ein rathaus?

einer der anschaulichsten impulse ist das ‚focke museum‚. noch kein museum hat mir anhand der blossen präsenz authentischer gegenstände eine stadtgeschichte so nahe und fühlbar gebracht! wie vital das museum arbeitet, illustriert das erst 2009 aus der kantine der baumwollkämmerei (BMK?) in das museum gelangte gemälde des fabrikgeländes. das ganze sog. ‚haus mittelsbühren‘ wurde aus dem gleichnamigen dorf auf das museumsgelände verbracht, als es galt des wirtschaftswunders mit der neueinrichtung der ‚klöckner-hütte‚ auf weiten flächen im bremer norden zu huldigen. noch beeindruckender ist jedoch das ’schaumagazin‘, in dem – abermals nach dem alphabet A–Z – die nicht regulär ausgestellten gegenstände in raumhohen glasvitrinen und auf einzelpodesten sichtbar gelagert werden. der besucher kann anhand laufender vierstelliger nummern an lose verstreuten digitalen terminals hintergrundinformationen zu den stücken einholen. zwei etagen, plus ein kindermuseum im nebenhaus. überhaupt ist das museum anschaulich aufgeteilt in verschiedene, z.t. authentische gebäude.

wo kann so bewußt und begeisternd kulturepochen nachvollziehen wie im focke-musem bremen?

eine der einträglichsten einnahmequellen im handel waren damals die auswandererschiffe, mit deren frequentem pendeln über den großen teich nicht nur millionen die ganz unterschiedlich motivierte flucht aus europa gelang, sondern nunmal auch das neue land amerika besiedelt wurde. die überwiegende mehrheit der (us) amerikaner sieht sich noch heute in deutschen herkunftslinien. namen wie bremen, dresden, hannover tauchen unzählige male als kleinstädtische klone in den usa aus. dennoch scheiterte deutsch im votum als amtssprache denkbar knapp am englischen (angeblich mit 2 stimmen). zu erforschen ist dies alles in dem bemerkenswerten, wenn auch nicht so überschwänglich wie vielerorts angekündigt begeisternden ‚deutschen auswandererhaus‘ in bremerhaven. der grosse erfolg für den besucher ist eigentlich das üben von recherchemethoden im museumsraum anhand des als eintrittskarte fungierenden ‚boarding pass‘ einer ausgewählten historischen auswandererperson und dann das nachforschen eigener familienlinien im ‚forum‚ und den us-amerikanischen telefonbüchern – wenn er denn vorbereitet ist und nicht zu spät kommt.

für mich ergab sich eine eigenartige entdeckung, indem es in südamerika eine ‚colonia liebig‘ gab.

„auf’s weltmeer!“ – nun zu den schattenseiten.

wie hoch muss der leidensdruck von millionen menschen sein, dass sie sich zu hunderten im 19.jahrhundert in muffigen zwischendecks zusammenferchten um auszuwandern? und wie hoch muss der hochmut derer sein, die sich zu keiner zeit dafür schämten diese  zustände auszunutzen? das weltmeer hat einiges getragen.

warum zum beispiel braucht bremen nach dem krieg eine stahlhütte? natürlich werden schiffe gebaut. auch autos. bremen ist allerdings auch ein rüstungsstandort. an rüstungsnahem produzieren und handeln verdienen verschiedene firmen. das ‚bremer friedensforum‚ setzt sich mit diesem kulturellen erbe vor dem hintergrund fortlaufender militarisierung in der bundesaussenpolitik auseinander. heute baut ‚beluga‚ neben einem schicken neubau auf dem teerhof spezialschiffe u.a. für off-shore windanlagen. dabei ist mit den anlagen an sich angeblich schon kaum noch das geld zu machen, sondern mit ihrer besonders intensiven wartung. ein gefundenes fressen für die dienstleistungsgesellschaft und ein erneuter rückschlag für die ökologie, die irgendwo in auftragnehmerhierarchien verloren geht.

das gleich neben dem auswandererhaus liegende ‚klimahaus‚ konnte ich leider nicht von innen sehen, so interessant es sein soll (vier jahreszeiten erlebbar gemacht). wenn dann allerdings direkt im anschluss eine toskanisch anmutende shoppingmall ihre runde macht und auch das hafenhochhaus á la ‚burj al arab‚ den eindruck eines im ganzen entwickelten spekulationsobjektes verstärkt, kommen zweifel an der für alle greifbaren nachhaltigkeit auf.

in der innenstadt gibt es eigenartige gelbe schilder, auf denen z.b. schusswaffen zu nächtlichen zeiten verboten werden, die naive frage von freunden war:

„und sind die waffen dann tagsüber erlaubt?“

leben und leben lassen. eine handelsstadt hat sehr viel charme, aber auch sehr viel abgründe. aber wo ist das nicht so?

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