grafik: felix liebig, montage
an irgendeinem punkt um neujahr 2011 herum ging mir „das jahr der spaziergänge“ durch den kopf.
was man so findet auf seinen streifzügen! – manchmal auch auf einem ganz normalen weg von A nach B.
schwarz auf gelb
in dresden nichts besonderes;
wir leben in einer gesellschaft aus territorien und sichtbaren wie unsichtbaren handlungsanweisungen. (farb)codes! dem eigentlichen kulturgemäß-menschlichen handeln wird dabei in den seltensten fällen entsprochen. ritualisierung! freiräume sind kostbar geworden, aber es gibt sie. dies u.a. zu erforschen und zu ändern machen sich neben urbanofeel viele andere menschen zur aufgabe.
im alltag sehr präsent und doch übersehen sind dennoch diese schilder.
in der auseinandersetzung mit oben gesagtem und dem menschlichen bedürfnis nach (frei)raum – also auch meinem freidenken – entstand das etwas abgewandelte schild:
freiheit Aushalten!
es begegnet uns tagtäglich. ein ready-made! überall da, wo freiheit anlässlich des omnipotenten und omnipräsenten eichmaßes unseres fortschritts eingegrenzt, gefiltert, abgezäunt, verschränkt wird – es kommt auf die lesart an.
wie in so vielen dingen im leben sollte man wissen, ob man aufgrund eigener bewegung vorwärts will oder lieber fortschreiten lässt. freiheit muss man in der tat jeden tag aushalten können, wenn man menschlich wachsen will. aber wem sage ich das … raum ist universell und denken ist universell. zunächst.
es kommt mehr hinzu:
dass der mensch das aushalten nicht immer kann, sieht man, wenn er mit echter freiheit konfrontiert ist, z.b. allein in einem großen raum, oder vor der entscheidung zwischen einer unbestimmbaren chance und einer sicheren rezeptur wählen zu müssen. und das ist menschlich.
aber: wir sind so ausgiebig und umfassend mit rezepturen für alles und jedes – mit produkten – umgeben, dass wir es gar nicht mehr wissen, wie man aus nichts etwas machen oder aus einem toten ort einen lebendigen platz machen kann. dass das spaß machen kann! unsere „neue realität“ (oder auch erweiterte realität der jetztzeit) hält uns bereits an sanften fesseln. wir müssen nicht mehr entscheiden. alle bedürfnisse sind schon gedeckt und erzeugt. die „dritte industrialisierung“ rollt. die produkte werden immer besser. uns geht es blendend.
was also müssen wir eigentlich noch aushalten? oder was treibt uns noch an?
aushalten müssen wir sogar einiges; all jenes, das von perfekten produkten nicht bedient werden kann. von z.b. unvermittelter und ungehinderter aggression durch menschen, die dem selbstdarstellungszwang im engmaschigen netz angepriesener ‚freiheit‘ nicht mehr standhalten über die – sinnlich aggressive – überfülle an „unnötigen“ informationen im stadtraum bis zu den tatsächlichen sinnlichen beanspruchungen, zu denen wir kaum noch vordringen, weil keiner mehr den sinn und einfluss perfekter produkte auf unsere frei(t)räume hinterfragt.
angetrieben werden wir trotzdem von mehr als dem erhalt der existenz. von neugierde, von der eigendynamik unseres bewußtseins. dem folgen wir so selten ernsthaft, dass immernoch die mär von der notwendigkeit der 40h-woche oder das paradighma (paradoghma?) von der leistungsgesellschaft funktionieren.
womit wir wieder beim fortschritt sind.
und jetzt explizit zum (auto)mobil, weil das z.t. hinter meiner argumentation steckt – als metapher: ich selbst bin überzeugt, dass die ikonen unseres gesellschaftlichen fortschritts uns womöglich ungeheuer aufhalten. das kann jeder jeden tag auf den einfallstraßen der großstadt beobachten. keine zeit für einfälle. ausfälle vielmehr. abfälle sowieso und abgase. stress. unsinn.
das perfekte sinnbild einer trägen, ungebremsten hülle (aus versprechungen), die das eigene agieren altern läßt und behäbig macht und unbeherrschbar die lebenszeit rafft.
in dresden möchte man dem nun mit echtzeit-verkehrsbeeinflussung begegnen. siehe den film „the italien job“! „welcome to dresden’s automated traffic control and operation centre“. die einbahnstraße in den köpfen, die schranken, die unsichtbaren roten ampeln, der subtile gasfuss im täglichen leben (z.b. beim morgentlichen schwimmen der berufspendler in der freiberger straße); das alles wird davon nicht verschwinden. und das ist nur ein laster unserer fortschrittlichen gesellschaft, der/das nichts trägt. nicht nur aus der atomkraft sollten wir bald aussteigen.
soviel zum kulturpessimismus ;)
ich träume von einer gesellschaft, in der wir die freiheit haben uns so zu bewegen wie wir das für richtig halten und zeit zum entdecken haben.
spaziergänge helfen dabei, sich ein paar dinge in echtzeit genauer anzusehen und zu reflektieren. nicht nur das sichtbare, auch das dazwischen. den raum zu öffnen durch das bewußte und nur mental zielgerichtete bewegen ohne ziel. sie machen optimistisch, weil alles noch vor uns liegt. der „innere visionär“ der schamanen ist nicht so abwegig. gehen und denken interagieren. im spazierengehen überlagern sich wahrnehmung und auseinandersetzung. zumal im dialog mit mitgängern. perspektiven wechseln dynamisch. das „dynamische seminar“.
davon gab es dieses jahr bereits einige und wird es weitere geben; in pieschern, in löbtau, in der friedrichstadt und dazwischen…
bitte aussteigen.
ps: 4. september 2011: freiheit Aushalten! bei google googlen und staunen. kultur ist ein prozess paralleler gedankenwelten, die irgendwann aufeinandertreffen. interessant dabei sind buch und theaterstück!
Freigeist und die Grenze des kulturellen Horizontes.
Ein Spaziergang hinter der Mauer des Verstehens zeigt das Ende des Habens.
Das oft beklagte „spirituelle“ Loch des Atheismus der Moderne verstopft sich mit Kommerzialisierung.
Geld und Konsum als Endzwecke der kulturtragischen Entmenschlichung, modernenes Leben bedeutet Mülltrennung.
aloha
D. C. Düsenberg
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Postökonomische Agentur Kunst und Stadtkultur Freiburg
„freigeist und die grenze des kulturellen horizontes:
ich würde mir auch hinter der mauer des verstehens das fragen nach der verwendung meiner seiteninhalte auf anderen webseiten – hier des bildes – und das kommentieren und referenzieren wünschen.
haben ist das eine; konsumieren anstatt zu hinterfragen oder einfach nachzufragen ist das andere.
ich fühle mich gerne mal durch „nicht-ernst-genommen-werden“ entmenschlicht – alles hat zwei seiten.
ahoi.
kultur!ngenieur
Lieber Mitmachkulturingeneur,
entschuldige meine Provokation, ich wollte nur sichergehen (btw:
Die Ableitung von „Erlaubnis“ auf „Erkenntnis“ ist mehr als mutig;).
Copyrightverstoß selbstverständlich behoben, viel Glück weiterhin beim „Profitieren“.
mfg
spirit of 3dom