fotos: felix liebig, 17. märz 2012
auf dem zweiten meiner vorbereitenden streifzüge durch den kerncampus der tu dresden begegnete ich in besonderer weise den „eingeweiden“ dieser stadt in der stadt, namentlich dem innenleben des barkhausenbaus im westen und des neuen chemiegebäudes im zentrum des campus. sie sind der hauptgrund für eine neuerliche gedankliche überlagerung mit den schriften des italo calvino in „die unsichtbaren städte„, die ich anhand der tu dresden wiederzulesen gedenke.
„unsichtbar“ ist hier durchaus mehrdeutig zu verstehen. im chemiegebäude traf ich zunächst auf den lichtstrahl aus zwei zimmern, bevor sich mir eröffnete, dass hier zum einen in der küche sehr viel sekt ausgtrunken worden war und zum anderen auch wirklich jemand nebenan arbeitete. das war eine frau, die vermutlich ebenso beängstigt wie schließlich ich sie ansah an ihrem laptop saß. sie musste mich ja schon eine weile gehört haben und das gebäude schien doch so gut wie verlassen zu sein. beschämt über diese begegnung voller vorurteile machte auch ich mich physisch in ein anderes geschoss davon, während die frau hoffentlich aus ihrem inneren exil entlassen war. die frage blieb denoch, ob ein gespräch über diesen verflechtungsraum zweier menschen in einem gebäude nicht gut gewesen wäre. ich wollte ja niemanden stören. in einem labor lief zudem noch (film)musik und ich fühlte mich tatsächlich auf einmal unheimlich. vielleicht sollte ich hier nicht zu genau stöbern?
andere dinge sind so sichtbar wie der helle tag und werden dennoch nicht gesehen. das sind neben obigen mikroskopischen bzw. sozialen innereien die auch bei calvino beschriebenen greifbaren „eingeweide“ namens klimaanlagen und heizungsrohren oder notdürftig der heutigen bauordnung angedienten nottreppen usw., die überall da, wo niemand so genau hinschaut ins auge springen. die tud hat ein vorne und ein hinten. sie hat auch ein außen und ein innen. sie ist lebendig. sie ist ein körper und besitzt vielfältige organe. ein organismus.
wie im großen, so im kleinen, repräsentiert auch das obige chemiegebäude diese idee, und der barkhausenbau. der barkhauseneffekt, der im foyer digital auf einem touchscreen beschrieben wird, steht zudem sinnbildlich für viele vorgänge im täglichen leben. frei interpretiert: erst mit einer gewissen redundanz „springt“ in vielen lebensbereichen die akzeptanz oder überhaupt die wahrnehmung eines sachverhaltes. wir alle sind sozusagen geplagt von „weisschen bezirken“, die sich einer veränderung in unserem umfeld (dem magnetfeld) entgegenstellen, bis sie nicht mehr anders können. aber es geht hier um ein gebäude, das in seiner räumlichen und beinahe syn-ästhetischen vielfalt beeindruckend ist. nicht nur, weil unterhalb des foyers – wie ich erst nachher durch prof. fritsche erfuhr – ein, nein das akustikmodell der semperoper stehen soll, die für ihre klangliche rafinesse stets gelobt wird. imponiert hat mir auch wie frei sich mensch hier am wochenende bewegen kann, wenn er glück und guten sinn hat. die abseitigkeit und auch poetik von orten an der tud kann da hautnah erlebt werden, wo über jahre der staub liegengeblieben ist und nur eine stiege bzw. das sich-treiben-lassen im raum gegen jede vernunft die hintersten winkel sichtbar werden läßt. doch auch hier waren schon vor mir menschen. es ist nicht der mond. es ist die in vielen schichten auch heute noch wachsende bauliche verkörperung menschlicher bedürfnisse zwischen heerer wissensvermittlung und bloßem dasein. vom breiten gang in die schmale nische, vorbei an der toilette und dann auf einmal der weitläufige und treppenknarzende hörsaal! auch das eine art „barkhausensprung“. italo calvino hätte seine freude daran.
auch hier wieder: die vielfalt der bilder ergibt die komplexität des eindrucks von diesem raumgebilde tu dresden. wer wagt, gewinnt eindrücke…